Georg Ludwig Jochum

*10.12.1909 in Babenhausen, † 1.11.1970 in Mülheim/Ruhr

Als jüngstes Kind von Ludwig und Judith Jochum wird Georg Ludwig am 10. Dezember 1909 in Babenhausen geboren. Wie schon bei Otto und Eugen zeigt sich bei Georg Ludwig ebenfalls früh eine große musikalische Begabung. Auch er wird schnell als Chorsänger, Organist und Orchestermusiker Teil der örtlichen musikalischen Aktivitäten unter der Leitung seines Vaters. 1920 folgt er den älteren Brüdern nach Augsburg, wo er neben seiner schulischen Ausbildung am Benediktiner-Gymnasium St. Stephan am Konservatorium in den Fächern Klavier, Violine und Musiktheorie unterrichtet wird. Anschließend studiert Georg Ludwig Jochum von 1928–1932, nur einige Jahre nach seinem Bruder Eugen und zeitgleich mit Otto, an der Münchner Akademie für Tonkunst Dirigieren bei Siegmund von Hausegger, Klavier bei Josef Pembaur sowie Komposition bei Joseph Haas.

Als er 1932 seine erste Stelle als Musikdirektor der Stadt Münster erhält, ist Georg Ludwig Jochum gerade 22 Jahre alt und damit der jüngste Generalmusikdirektor Deutschlands. Nach der Hochzeit mit Ida Bertele am 9. Juli 1934 erfolgt die Berufung als 1. Kapellmeister an die Frankfurter Oper und als Leiter der dortigen Museumskonzerte. Nach zweijähriger Tätigkeit in Frankfurt wird Georg Ludwig Jochum 1937 als Städtischer Musikdirektor nach Plauen bestellt. Im gleichen Jahr wird er Mitglied der NSDAP. Mit der Berufung zum Generalmusikdirektor des Stadttheaters Linz am 16.4.1940 intensivieren sich die Verbindungen Georg Ludwig Jochums zu den kulturpolitischen Machenschaften des NS-Regimes. Damit wächst auch seine persönliche Abhängigkeit von der Gunst der zuständigen Stellen des Dritten Reichs. Stärker als sein Bruder Eugen gliedert sich Georg Ludwig Jochum in den Kulturapparat des NS-Regimes ein. Zunächst baut Georg Ludwig Jochum das städtische Theaterorchester mit 58 Musikern zum vollwertigen Symphonieorchester mit 88 Mitgliedern aus und erhöht Qualität sowie Bandbreite der städtischen musikalisch-kulturellen Angebote maßgeblich. Er zeichnet verantwortlich für die Programmgestaltung und leitet die allermeisten Konzerte selbst. Sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei der Stadtverwaltung, deren Angestellter er ist, genießt Jochum hohes Ansehen.

Auf persönlichen Wunsch Adolf Hitlers beginnen in den 1940er Jahren Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, das oberösterreichische Linz als eines der kulturellen und wirtschaftlichen Zentren des Dritten Reichs zu etablieren. Neben massiven Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft sowie Planungen für eine städtebauliche Umgestaltung wird im nahe Linz gelegenen Augustinerstift St. Florian, der langjährigen Wirkungsstätte Anton Bruckners, der sogenannte Reichssender St. Florian gegründet, der, so die Vorstellung Hitlers, den eines Tages weltweit sendenden Großdeutschen Rundfunk mit klassischer Musik versorgen soll. Zu diesem Zweck befürwortet Hitler die Neugründung eines entsprechenden Rundfunkorchesters in St. Florian bzw. Linz. Der ursprüngliche Plan, hierfür Musiker aus dem städtischen Symphonieorchester Jochums zu verpflichten, wird schließlich verworfen. Stattdessen soll aus einer Auswahl der qualifiziertesten Mitglieder der bestehenden Rundfunkorchester ein komplett neues Symphonieorchester zusammengestellt und in kürzester Zeit zum führenden Orchester des Dritten Reichs geformt werden. Dafür ist eine einjährige Probenphase geplant. Als »Ausbilder« des Orchesters wird Georg Ludwig Jochum bestimmt, der mit Gastkonzerten bei den Berliner Philharmonikern auch in den entscheidenden Kreisen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Eindruck gemacht hatte. Jochum nimmt die Arbeit am 1. April 1943 auf.

Zunächst soll Georg Ludwig Jochum das Orchester, das 1944 von Hitler in »Reichs-Bruckner-Orchester Linz« umbenannt wird, nur während der einjährigen Probenphase leiten und anschließend an einen Dirigenten von größerem internationalen Rang übergeben. Im Gespräch hierfür ist u.a. Herbert von Karajan. Obwohl die Bestrebungen, Jochum durch einen anderen Dirigenten zu ersetzen, nie völlig verschwinden, bleibt er, auch dank der Hilfe einflussreicher Fürsprecher wie etwa Wilhelm Furtwänglers, bis 1945 Leiter des Reichs-Bruckner-Orchesters. Die Programmgestaltung, die Leitung des Großteils der Symphoniekonzerte sowie die Verpflichtung von renommierten Gastdirigenten wie Carl Schuricht oder Joseph Keilberth liegen in Jochums Verantwortung. In der Presse und Öffentlichkeit trifft die Arbeit Jochums auf durchweg positives Echo, Gastspielreisen vergrößern die Reputation zusätzlich. Auch wenn die ursprünglichen Vorstellungen Hitlers zum Ausbau des »Reichssenders St. Florian« nie vollständig umgesetzt werden und das Reichs-Bruckner-Orchester nicht das angestrebte internationale Renommee erreicht, wird es unter der Federführung Jochums zum kulturellen Prestigeprojekt des NS-Regimes. Im Frühjahr 1945 muss sich Jochum aufgrund großer gesundheitlicher Beschwerden in ärztliche Behandlung nach Sonthofen im Allgäu begeben. Das Reichs-Bruckner-Orchester wird von der amerikanischen Militärverwaltung aufgelöst.

Auch rückblickend sieht Georg Ludwig Jochum seine Tätigkeiten während der Nazidiktatur als Leiter des Reichs-Bruckner-Orchesters nur wenig selbstkritisch. 1959 äußert er sich über diese Zeit:

»Persönlich denke ich mit einer gewissen Wehmut an diese Zeit, in der es uns vergönnt war, trotz des Krieges, trotz der wachsenden Not und des drohenden Zusammenbruchs mit Elan ein letztes Aufzeigen unserer abendländischen Kulturwerke vor der großen Katastrophe zu bewerkstelligen. Und ich glaube noch heute, einen Sinn in unserer damaligen Arbeit finden zu dürfen, auch wenn wir nicht mehr getan hätten, als unsere Mitmenschen in ihrer äußeren und inneren Not durch die Kunst zu trösten.«

Schon kurze Zeit nach Kriegsende kann Georg Ludwig Jochum seine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen. 1946 wird er Generalmusikdirektor auf Lebenszeit am Theater Duisburg. Daneben leitet er zwischen 1948 und 1950, wie auch sein Bruder Eugen, häufig die Bamberger Symphoniker. Gastdirigate führen ihn u.a. auch zum RIAS-Orchester nach Berlin sowie nach Südamerika. Für das kulturelle Leben Duisburgs wird Jochum zur prägenden Figur. Bis 1958 leitete er auch das Konservatorium der Stadt. Schon seit längerer Zeit immer wieder gesundheitlich angeschlagen, erkrankt Georg Ludwig Jochum im Jahr 1970 schwer. Er stirbt am 1. November 1970.